90 Jahre Bauunternehmung Markgraf

Vorwort

Im Besitz der Rainer Markgraf Stiftung befindet sich ein ledergebundenes Buch mit den Originalaufzeichnungen von Wilhelm Markgraf (1899-1965) zur Familien- und Firmengeschichte Markgraf. Er gründete 1932 zusammen mit Franz Heger das Bauunternehmen in Eger. Nach der Vertreibung der Familie baute Wilhelm Markgraf den Betrieb ab 1946 in Immenreuth wieder auf. Das 90-jährige Bestehen der Bauunternehmung Markgraf nimmt die Stiftung zum Anlass, um die Aufzeichnungen interessierten Leserinnen und Lesern an die Hand zu geben. Zudem steht eine digitale Hörfassung bereit, die mit Hilfe von künstlicher Intelligenz erstellt ist.

Es sind somit gleich zwei Zeitdokumente die sich hier vereinen: Zum einen der autobiographische Bericht aus der Vor- und Nachkriegszeit von Wilhelm Markgraf und zum anderen die digitale Hörfassung seiner Aufzeichnungen entsprechend den technischen Möglichkeiten im Jahr 2022. Inspiriert vom visionären Unter-nehmergeist der Familie Markgraf und der stetigen Begeisterung für Entwicklung und Innovation werden sicherlich auch kommende Generationen immer neue Medien finden um den Inhalt dieser Aufzeichnungen erfahrbar zu machen.

Im Namen der Rainer Markgraf Stiftung danke ich dem Start-Up-Unternehmen Ahearo aus Hof für die Realisierung der digitalen Hörversion und wünsche allen eine spannende Lektüre sowie ein interessiertes Hören der Familien- und Firmengeschichte.

Aus meinem Leben

Das Buch erhielt ich im Jahre 1943 als Geschenk der Egerländer Kasse. Während der letzten Kriegsmonate im Jahre 1945 kam das Buch mit anderen Gegenständen zu meinem Schwager Karl Zimmerman nach Kötschwitz Nr. 10. In einem Sack mit Pferdegeschirr ließ es mein Schwager über die Grenze bringen. Ich freute mich sehr, als er uns im Jahre 1946 das Buch brachte. Dr. Zartner ließ das Buch von dem Egerer Maler Wohlrab mit den schönen Zeichnungen versehen und schenkte es mir wieder zu Weihnachten 1957.

Ich halte es für notwendig, Verschiedenes aus meinem Leben festzuhalten, weil es späteren Nachkommen vielleicht von Wert sein könnte.

Ich wurde am 2. Mai 1899 in Langenbruck Nr. 10 im Egerland auf dem Hofe meiner Eltern geboren. Von den ersten Lebensjahren weiß ich nichts mehr, nur hat Mutter später berichtet, dass ich bei der Taufe furchtbar geschrien habe, was die Hebamme, Frau Leitgeb aus Tirschnitz, zum Ausspruch veranlasste: „Entweder wird er ein großer Sänger, oder er stirbt.“ Die zweite Prophezeiung wird wohl einmal zutreffen, nachdem ich wirklich nicht singen kann.

Langenbruck hatte etwa 100 Einwohner, welche in vier Höfen, einer Mühle, drei Tagelöhnerhäuschen und einem Bahnwärterhaus wohnten. Unser Hof, mit der Hausnummer zehn, war ganz gemauert und lag an der Straße von Tirschnitz nach Franzensbad auf der linken Seite. Die Felder des Hofes lagen ziemlich geschlossen zwischen der Straße nach Oberndorf und Franzensbad nordwestlich vom Hof. Mein Vater und meine Mutter kauften den Hof, auch Kouchererhof genannt, von einem Herrn Forster um 27.000 Gulden. Davon brachte meine Mutter 10.000 und mein Vater 7.000 Gulden, der Rest wurde teils von der Egerländer Kasse, teils von Privaten zu Buch genommen. Da Forster schlecht wirtschaftete, war weder ein ordentlicher Viehbestand, noch Inventar vorhanden. Auch die Felder waren in schlechtem Zustand. Es war daher kein Wunder, dass meine Eltern im ersten Jahre noch 1.000 Gulden Schulden dazu machen mussten.

Langenbruck lag an der Straße von Eger nach Leipzig und es befand sich dort früher eine lange Brücke, welche das Moor überquerte. Noch in meiner Jugend bestand ein Steg von circa 100 Meter Länge. Durch die Regulierung des Baches wurde das Moor zum größten Teil entwässert, so dass nur eine etwa 500 Meter weit gespannte Brücke und der lange Steg blieben. Unser Hof hatte eine geschlossene Form. Nach einer Überlieferung soll hinter unserem Hof eine Burg gestanden haben.

Meine Eltern: Die Abstammung ist aus dem Stammbaum zu ersehen, der durch Taufscheine belegt ist. Meine Mutter war das vierte Kind des Johann Kaspar Habermann aus Döba und der Eva Habermann, eine geborene Markgraf, aus Knöba. Großvater Habermann verlor seine erste Frau und heiratete dann meine Großmutter. Die Geschwister meiner Mutter aus erster Ehe waren Georg Habermann und Nikl Habermann sowie Marie, verheiratete Rustler in Rohr. Aus der zweiten Ehe stammten meine Mutter, Margarethe; dann Anna Habermann, verheiratete Sorgner in Hart. Albin Habermann übernahm den über 100 Hektar großen Hof in Döba und heiratete Emma Habermann, geborene Dostler. Sie war eine Müllerstochter aus der Fritschmühle am Leibitschbach. Wilhelm Habermann, der Jüngste, war mit Betty Gartner in Dürnbach verheiratet.

Der Großvater war ein tüchtiger Mensch und hatte großes Ansehen durch seine geradlinige Haltung. Als er auf der Jagd der mächtigen Gräfin Hartenberg dieser als einziger Bauer nicht die Hand küsste, wurde er nie mehr zu dieser Jagd geladen. Im Jahre 1866, als die Preußen einrückten und alle jungen Leute zum Militär mussten, verbrachte er drei Tage versteckt in der Scheune. Er gründete eine Ziegelei und bohrte mit zwei Rundbohrern ein 60 Meter tiefes Bohrloch, um die ausströmende Kohlensäuere industriell zu verwerten. Das Bohrloch befand sich 700 Meter außerhalb des Quellenschutzgebietes von Franzensbad. Nach schweren Kämpfen gelang es der Stadt Franzensbad, das Quellenschutzgebiet zu erweitern und Großvater durch Zahlung einer größeren Summe zur Schließung des Bohrloches zu veranlassen. Bevor er den Hof übergab, baute er sich an der Straße vor dem Hof ein Haus. Er starb leider schon ein Jahr nach der Hofübergabe an Herzschlag.

Die Großmutter war eine stille, saubere, gescheite Frau, bei der wir viele Jugendstunden verbrachten. Sie wurde sehr alt, über 80 Jahre.

Meine Mutter schaffte unermüdlich für ihre Familie. Innerhalb von acht Jahren kamen sechs Buben auf die Welt. Zwei davon starben einige Wochen nach der Geburt. Die Kinder und der Hof verlangten von ihr unermüdliche Arbeit ohne jede Erholung. In gemeinsamer schwerer Arbeit brachten Vater und Mutter den Hof instand und ließen zwei Kinder an der Hochschule studieren.

Unermüdlich war Mutter auch in der Milchwirtschaft und bei der Schweinezucht. Nur durch die Forcierung dieser Zweige war es möglich, uns zwei studieren zu lassen. Oft und oft wachte sie bei den Zuchtsauen. Mutter war außerordentlich fromm.

Der Vater, Georg Markgraf, war der zweite Sohn des Niklas Markgraf und der Maria Margarethe, geborene Habermann, welche zuletzt den Schmiedbauernhof in Langenbruck hatten. Großvater stammte aus dem Markgrafen-Stammhof aus Höflas bei Trebendorf. Als siebter Bub erhielt er in Höflas ein kleines Haus mit Scheune und etwa zehn Hektar Grund. Dann kaufte er den Plattnerhof in Ensenbruck. Dort ist noch ein großer Steintrog mit den Buchstaben N.M. vorhanden. Diesen Hof verkaufte er wieder und erwarb den Schmiedbauernhof in Langenbruck. Von Großvater, den ich noch als 80-jährigen kannte, weiß ich noch, dass er Frondienste für den Burgherrn in Eger leisten musste.

Von Großmutter weiß ich nur, dass sie eine schöne Frau war. Sie starb, als ich sechs Jahre alt war.

Den Langenbrucker Bauernhof übernahm der älteste Sohn Johann Markgraf. Mein Vater war der zweite Sohn. Diesem kaufte Großvater den Hof Langenbruck Nr. 10.

Von der Jugend ist nicht viel zu berichten. Eines ist mir noch gut in Erinnerung, dass mein Bruder Schorsch und ich ein Kinderfest in Franzensbad mit zwei lebenden Schafen von unserem Hof mitmachten. Mutter hat uns so schön angezogen, so dass wir gut auffielen. Wir wurden von den Kurgästen reichlich mit guten Sachen bedacht. Daheim mussten wir frühzeitig mitarbeiten, sowohl im Stall als auch am Feld. Während andere in den Ferien Freizeit hielten, mussten wir alle Arbeit mitmachen. Das Leben auf dem Hof war sehr einfach. Wir lebten sehr sparsam. Am Abend gab es im Sommer Milchsuppe und Brot, im Winter Kartoffelsuppe.

Mit neun Jahren kam ich dann in die Volksschule nach Franzensbad und hatte dort einen ausgezeichneten Lehrer. Ich bestand mit sehr gutem Erfolg die Aufnahmeprüfung für die Oberrealschule in Eger. Jedenfalls hatte das Schuljahr in Franzensbad den Vorteil gebracht, dass ich mit Leichtigkeit den Übergang von der Volksschule zur Realschule überwand, zum Unterschied von meinem Kameraden aus Tirschnitz wie Reich und Seidl, welche im Anfang Schwierigkeiten hatten.

Im ersten Jahr, als sich mein Vater einmal erkundigte, brachte er keine gute Nachricht über meinen Fortgang mit nach Hause. Gegen Jahresende hatte ich aber schon ein sehr gutes Zeugnis, das eigentlich bis zum Ende meiner Studienzeit an der Realschule anhielt. Ich war meistens Vorzugsschüler und habe auch die Matura mit dem Prädikat „mit Auszeichnung“ abgelegt.

In die Studienjahre fiel auch der Erste Weltkrieg. Am Festtag Peter und Paul, dem 29. Juni 1914, war Vater mit uns Buben im Zirkus. Die Vorstellung wurde plötzlich abgebrochen, weil Erzherzog Ferdinand ermordet wurde. Alles war damals bestürzt und die Leute sagten übereinstimmend, das gibt Krieg. Als dann endlich im August das Ultimatum an Serbien nicht entsprechend beantwortet wurde, wurde die allgemeine Mobilisierung verkündet. Ich war damals zum ersten Mal bei einer Tanzveranstaltung in Oberlohma. Am Vormittag war die Mobilisierung verkündet worden. Alle Brücken waren bewacht und man konnte sich von einem Ort zum anderen nur mit Ausweis bewegen.

Wir erfuhren die Nachricht von der Mobilisierung beim Kirchgang nach Franzensbad. Sofort fuhren wir dann nach Döba, wo der Bruder meiner Mutter am anderen Tag einrücken musste, ebenso Onkel Lenz von Hart. Es war ein allgemeines Weinen und Wehe klagen.

Allgemein herrschte bei Ausbruch des Krieges die Ansicht vor, dass der Krieg nicht lange dauern kann und dass Serbien bald geschlagen sein wird. Obwohl die wirtschaftlichen als auch die sonstigen Verhältnisse sehr gut waren, erkannte man, dass es so nicht weitergehen konnte. Es muss etwas kommen.

Das erste Erschreckende trat ein, als die ersten Verwundeten nach Eger kamen und Reservelazarette eingerichtet werden mussten. Es dauerte nicht lange, da mussten immer mehr Leute einrücken. Die Nahrungsmittel wurden rationiert und an allem und jedem war Mangel.

Die Nachrichten von den Verlusten waren sehr deprimierend. Unsere Realschule, die ich besuchte, wurde als Reservelazarett eingerichtet. Wir mussten dann in die Obertorschule, welche in eine Realschule umgewandelt wurde. Die Begeisterung, welche uns nahezu täglich den Weg nach Eger nehmen ließ, wenn Marschkompanien vorbeigingen, war bald verraucht.

Während des Jahresstudiums und in den Ferien mussten wir fleißig auf den Feldern arbeiten. Wir mussten auch aushelfen bei Onkel Lenz in Hart, nachdem dort niemand zu Hause war und die Tante mit ihren sechs Kindern nicht auf dem Feld arbeiten konnte.

Im Jahre 1916 musste dann mein älterer Bruder Schorsch einrücken. Er kam zu den schweren Haubitzen nach Wien. Auch Vater wurde gemustert und musste einrücken. Interessant war, dass trotzdem viele Bauern enthoben wurden, mein Vater jedoch nicht enthoben wurde, weil das Gesuch, wie später festgestellt wurde, beim Gemeindeamt Tirschnitz liegen blieb.

Vater war als Unteroffizier in Baden stationiert. Er war dort Stallkommandant für die Kühe, welche das Hauptquartier mit Milch versorgten. Es war schon ein schweres Hantieren, nachdem Mutter und wir den Hof bewirtschaften mussten. Vor allem erschwerte der Mangel an Eisen und die nicht vorgenommenen Reparaturen den Wirtschaftsbetrieb.

Im Jahre 1917 machte ich die Matura und legte diese mit Auszeichnung ab. Nach der Matura arbeitete ich daheim, wurde assentiert und musste dann im Herbst 1917 nach Steyr zur Gebirgsartillerie in das Regiment Acht einrücken.

Aufgrund meiner Matura mit Auszeichnung hatte ich das Recht, dass einjährige Jahr zu machen. Ich erhielt die Bewilligung mein Einjähriges auf Staatskosten abzulegen. Normalerweise mussten die Einjährigen sowohl für sich als auch für ein Pferd aufkommen.

Am 15. Oktober 1917 rückte ich nach Steyr ein und nach vierwöchentlicher Grundausbildung kam ich in die Offiziersschule nach Salzburg.

Im Dezember kam ich auf Urlaub heim. Gleichzeitig war es gelungen, auch Vater heimzubekommen. Er war allerdings krank. Er hatte sich bei einer Fahrt beim Kuheinkauf in Serbien im kalten Waggon erkältet und hatte einen Nierenschwund. Ich ging mit ihm im Dezember noch in die Kirche nach Franzensbad, dabei war er schon sehr müde und musste öfter stehenbleiben. Gleich nach Weihnachten legte er sich, um dann nicht mehr aufzustehen.

Am 10. März 1918 verstarb er. Ich erhielt Urlaub zum Begräbnis meines Vaters. Mein Bruder Schorsch war an der Front und konnte nicht heimkommen. Ich möchte hier einen Traum schildern, den ich, kurz nachdem ich vom Begräbnis meines Vaters zurückgekommen war, hatte. Mir träumte in der Nacht, ich hörte einen Schuss und sah meinen Bruder fallen. Ich war sehr besorgt und glaubte, dass etwas passiert sei. Am andern Tag kam mein Bruder gesund, allerdings furchtbar mager zum Kasernentor in Salzburg in der Riedenburg-Kaserne herein. Ich war sehr froh.

Anfangs April erhielt ich die Richtauszeichnung für schnelles und gutes Einrichten beim Geschütz und wurde außerdem befördert. Die Offiziersschüler waren mit Rangnummern ausgezeichnet, die ersten zehn wurden befördert. Ich hatte die Rangnummer Acht.

Mitte April legte ich dann die Reserveoffiziersprüfung vor einem General ab. Ich kam dann von Salzburg nach Zirl in Tirol. In Zirl waren wir vier Wochen. Unser Ausbildungsoffizier war Paul Hörbiger. Im Garnisonsort Zirl gab es keine Beschäftigung, nachdem nur wenige Soldaten in der Ersatz-Batterie vorhanden waren. Anfang Juli wurde ich dann zum Kadett-Aspirant-Feuerwerker befördert. Ich kam dann in den Säbelchargenkurs nach Kufstein, wo wir bis Ende September verblieben.

Anfang Oktober kamen wir dann von Kufstein aus zur Verteilung auf die Batterien. Ich wurde der Leitmeritzer-Batterie zugeteilt und fuhr mit mehreren Teilnehmern des Säbelchargenkurses über Innsbruck, Franzensfeste, Villach bis Udine. In Cesarse übernachteten wir und kamen am anderen Tag zur Haupttruppe. Ich wurde sofort als Erster Offizier eingeteilt, da die Batterie viele Verluste hatte und keine Offiziere vorhanden waren. Unsere Geschütze waren schon stark ausgeleiert und dadurch war die Treffsicherheit sehr gering. Schießen durften wir nur nach Brigadeerlaubnis, da die Munition knapp war. Wir waren eingesetzt als Tankabwehr-Batterie, da damals die Amerikaner die ersten Tanks den Italienern zur Verfügung gestellt hatten. Ich kann mir heute nicht vorstellen, wie diese Tankabwehr hätte funktionieren sollen. Ungefähr Anfang Oktober kam es dann plötzlich zum Durchbruch. Ich war ganz allein in der Batterie. Der Batteriechef war in Feuerstellung. Die Telefonverbindung, auf Grund welcher ich meine Schießbefehle in der Batterie gab, war unterbrochen. Ich bemerkte auf der linken Seite Bewegung und es dauerte gar nicht lange, so war eine heillose Flucht im Gange. Die Leute schauten auf mich, denn ich musste entscheiden, ob ich die Feuerstellung verlasse, oder ob ich stehen bleibe. Ich habe zunächst weitergeschossen, ohne Ziel, nachdem die Einweisung durch den Batteriechef nicht mehr erfolgen konnte. Nach ungefähr zehn Minuten kam auch der Batteriechef gelaufen und wir fuhren mit allem, was wir hatten, zurück. Kurze Zeit zeigten sich noch Auflösungserscheinungen. Wir hatten eine Koffervisite angeordnet, um verräterische Schriften zu entdecken, fanden aber nichts.

Am anderen Tag war auf zwei Geschützen eine tschechische Fahne von vielleicht sieben Meter Länge. Kein Mensch wusste, wo sie her waren. Gerüchte jagten sich.

Wir fuhren immer weiter zurück. An der Tagliomento-Brücke stand ein General und wollte einen Rückzug aufhalten. Der General musste zur Seite springen, er wäre sonst niedergefahren worden.

Unsere Batterie erhielt noch den Befehl, Fliegerabwehr für die Brücke zu bilden. Wir gingen in Feuerstellung und schossen auf Flugzeuge, ohne zu treffen. Allerdings kam ein englisches Flugzeug herunter; ich glaube kaum durch unser Schießen.

Nachdem wir einen Tag an der Brücke standen, kam auch für uns der Rückzugsbefehl. Unterdessen wurden wir aufgefordert, durch Flugblätter abzustimmen, ob die Soldaten für die Republik oder für die Monarchie sind. Unser Batteriechef erklärte, er sei Offizier und lasse nicht abstimmen. Es war gut so, denn es hätte sowieso keinen Zweck gehabt.

Wir fuhren dann jeden Tag weiter zurück; und zwar in Richtung Görz. In der Nähe von Görz bezogen wir dann Lager. Es wimmelte damals von italienischen Partisanen. Wir stellten Wachen aus und plötzlich in der Nacht entstand eine wüste Schießerei. Wir gingen sofort in Deckung. Auf einmal hörte die Schießerei auf. Es war nicht der Feind; sondern einige Soldaten hatten ein Feuer angezündet und Maschinengewehrmunition in Gurten kam dem Feuer zu nahe. Als die Gurte zu brennen anfingen, explodierten die Geschosse und verursachten den Krawall.

Wir schliefen die ganze Zeit über im Freien. Es war ziemlich kalt und nahezu alle Soldaten hatten Darmkatarrh; auch ich litt sehr darunter.

Wir marschierten dann im Isonzotal, als plötzlich italienische Offiziere mit Autos vorfuhren und anhielten. Wir mussten die Geschütze abliefern. Unsere Soldaten ließen es sich nicht nehmen, die Geschützverschlüsse in den Isonzo zu werfen, sodass die Geschütze unbrauchbar waren. Alles Wertvolle wurde in den Fluss geworfen.

Wir traten dann über auf Krainer Gebiet und kamen bis Bischofslak. In Bischofslak wurden wir einwaggoniert. Wir hatten etwa 120 Pferde und noch größere Vorräte an Mehl. Auch unsere Milchversorgung, welche aus zehn Kühen bestand und die wir immer mitführten, klappte gut. Wir blieben einige Tage in Bischofslak. Dann wurde die Nachricht ausgegeben, dass jeder, der will, den Rückmarsch in die Heimat mit Pferden antreten könne. Die Pferde würden ihm gehören.

Der Batteriechef verteilte das Geld, das wir noch hatten. An ihn, den zweiten Offizier und an mich. Der Zweite Offizier war ein Pole, der die Slawen um sich scharte. Ich sollte die Leute, welche aus dem westlichen Sudetenland stammten, betreuen. Der Batteriechef stammte aus Reichenberg und sollte die aus dem östlichen Sudetenland betreuen.

Nach einigen Tagen Rast, bei welcher wir sehr unter dem Darmkatarrh litten, wurden wir einwaggoniert und fuhren über Graz nach Linz und von Linz über Regensburg bis Weiden und schließlich über Wiesau nach Eger.

In Graz stiegen wir kurz aus, als ein Volksarmist, wie sie damals hießen, mir meine Offizierskorkade herunterriss. Ich konnte nichts machen, weil er sofort wieder verschwunden war. In Weiden hatten wir noch einen Zwischenfall. Während in Österreich alle Darmkatarrhkranken sich einfach auf den Bahnhof hinsetzten und diesen verunreinigten, war dies in Deutschland nicht der Fall. In Weiden am Bahnhof war ein Bremserhaus, welches nur weibliche Bremserinnen betätigten, voll beschmutzt. Der Stationsvorstand erklärte uns weiterfahren zu lassen, wenn das Bremshaus gereinigt würde. Befehlsgewalt war keine mehr vorhanden. Infolgedessen musste ich einige Freiwillige ersuchen, das Bremserhaus zu reinigen, da sonst der Bahnbeamte kein Abfahrtssignal geben wollte.

In Waldsassen wären wir nahezu bald erstickt. Wir waren im Offizierswaggon und irgendein Böswilliger hat den Riegel von außen zugeschlagen. Wir konnten den Riegel von innen nicht öffnen und im fahrenden Zug hörte uns auch niemand. Als der Zug dann in Waldsassen hielt, hatten wir schon ziemlich viel Kohlengas eingeatmet. In Eger am Bahnhof angekommen, wurden wir sofort aufgefordert, der Heimwehr beizutreten. Es war aber auch kein einziger, der sich bereiterklärte, auch nur weiterzugehen. Jeder eilte sofort heim.

Ich kam gegen drei Uhr früh heim und fand alles schlafend vor. Meine Mutter, die sich sehr um mich gesorgt hatte, öffnete das Fenster vom kleinen Zimmer und glaubte nicht, dass ich es selbst war. Sie fragte mich, ob ich es selbst bin, und glaubte es erst als sie mich anfühlte. Dann war die Freude groß. Mein Bruder war bereits daheim. Er lag malariakrank im Hospital in Eger. Dass meine Angehörigen glücklich waren, dass ich gesund heimgekommen bin, war verständlich.

Nach einigen Tagen Erholung, ich war ungefähr am 15. November 1918 heimgekommen, fuhr ich Anfang Dezember nach Prag, um an der Technischen Hochschule Bauingenieurwesen zu inskribieren.

Das Wintersemester wurde mir noch angerechnet. Wir hatten vorschriftsmäßig zehn Semester.

Es gelang mir, mein Studium am Ende des zehnten Semesters zu beenden. Ich telegraphierte damals an meine Mutter: „Ich bin fertig, schicke Geld!“ Meine Mutter hatte nicht geglaubt, dass ich mit dem Studium fertig war, sondern das Fertigsein auf das Geld bezogen sei. Umso größer war die Überraschung als ich das Zeugnis der Staatsprüfung überreichen konnte.

Während der Studienzeit war ich sowohl in der Studentenschaft als auch im Lese- und Redehallenverein Germania, einmal auch als Obmann tätig. Ich war bei der Landesmannschaft Egerländer Landtag aktiv und war dort im Sommersemster 1920 Sprecher.

Während der Studiumszeit kam ich auch als Vertreter der Studentenschaft in Audienz zum Präsidenten der Tschechischen Republik, Tomáš Garrigue Masaryk. Er versprach viel, ohne viel zu halten. Wir waren von den Tschechen in Prag behindert. Es kam häufig zu Ausschreitungen, zu Schlägereien und ich war in großer Gefahr, da ich bei einem Aufstand und der Plünderung des Studentenheimes durch die Tschechen aus dem Fenster gestürzt werden sollte. Im letzten Moment kam die Polizei und verhinderte den Fenstersturz.

Es waren sehr unruhige Zeiten. Der tschechische Staat war keinesfalls konsolidiert, sondern entstand aus dem Willen der Friedenskonferenz von Versailles. Dort bestand nicht die Absicht, den Frieden herzustellen, sondern es ist aus dem späteren Geschichtsverlauf zu erkennen, dass die Absicht bestand, möglichst die deutschen Zahlen zu verringern. Die Tschechen übernahmen von den Franzosen und Engländern eindeutig den Auftrag, die 3,5 Millionen Sudetendeutschen zu tschechisieren und dadurch dir Macht der Deutschen zu brechen.

Diese Aufgabe ließen sich die Verbündeten auch Geld und Unterstützung der Tschechen kosten. Masaryk, der immer für Freiheit und Selbstbestimmungsrecht eingetreten war, kam dadurch in eine Zwangslage, da er Präsident war und gegen seine als Philosoph vertretenen Ansichten regieren musste; er verfiel in Wahnsinn. Der Wahnsinn machte es notwendig, dass er dann durch Benesch abgelöst werden musste. Vernünftige Tschechen und Deutsche bemühten sich, ehestens mit den geschaffenen Verhältnissen fertig zu werden. So waren die deutschen Agrarier, die deutschen Sozialdemokraten und die deutschen Christlich-Sozialen bis zum Frühjahr 1938 in der tschechoslowakischen Regierung in Koalition mir den tschechischen Sozial-Agrariern und Christlich-Sozialen. Es ist anzuerkennen, dass sich die tschechischen Agrarier ernsthaft um einen Ausgleich bemühten. Leider war ihr Einfluss nicht so groß und es entstand aus den rücksichtslosen Tschechisierungsbestrebungen eine Lähmung des Staatswillens.

Wenn man die zwanzig Jahre Bestand des tschechischen Staates überlegt, so kann man feststellen, dass der Staat praktisch nichts geleistet hat, als einige Minderheitsschulen im deutschen Gebiet. Weder die Bahn noch die Post, noch die Straßen wurden wesentlich verbessert. Die Staatsstraßen, die an und für sich in gutem Zustand waren, waren es noch von Österreich her. Sie wurden durch eine private Gesellschaft der Skoda-Werke, die den Autobau aufgenommen hatten, instandgesetzt und mit Teerdecken versehen. Sonst blieben alle Erneuerungsbestrebungen, welche vordringlich Staatsaufgabe waren, unerledigt.

Insbesondere im deutschen Gebiet versuchte man durch Stilllegungen der Industrien die Bevölkerung in eine Notlage zu setzen. Wenn die Notlage groß war, kauften tschechische Banken den deutschen Besitz auf und später wurden die Betriebe mit tschechischem Vorzeichen wieder neu eröffnet.

Es ist kein Wunder, dass die Sudetendeutschen sich immer mehr dorthin wandten, wo sie Hilfe in ihrer ungeheuren Notlage zu finden glaubten. In den Jahren um 1936 waren an unseren Haustüren an einem Tag bis über hundert Bettler gezählt worden. Ein Arbeitsloser erhielt als Unterstützung nur 20 Kronen, das waren zwei Mark pro Woche. Von diesen 20 Kronen konnte er unmöglich leben und war deshalb gezwungen, betteln zu gehen. Der Zustand war so, dass sich auch keiner mehr schämte, betteln zu gehen.

Die politischen Verhältnisse waren auch auf der deutschen Seite nicht befriedigend. Insbesondere die Nationalparteien konnten sich nicht zurechtfinde. Sie meinten noch immer, dass sie viel zu sagen hätten, obwohl die Politik schon längst über sie hinweg zur Tagesordnung übergegangen war, und verhinderten konstruktive Lösungen.

Ich kann mich erinnern an den Abgeordneten Kalina, der wunderbar sprechen konnte, aber im Großen und Ganzen nur ein Schreier war. Als in Eger das Josefs-Denkmal von den Tschechen gestürzt wurde, brachte die Bevölkerung in der Nacht die gestürzte Statue wieder auf die Stelle und verjagte das tschechische Militär mit Feuerspritzen.

Aufgrund der unerhörten Propagation der Tschechen, dass Kaiser Josef II. als Freiheitskaiser galt, fanden dann in Eger Demonstrationen statt. Einigen leichten Mädchen, welche mit tschechischen Offizieren verkehrten, wurden die Zöpfe abgeschnitten. Blödsinnigerweise wurde auch die tschechische Schule, die nur einige Kinder hatte, demoliert; allerdings vor Schulbeginn. Es geschah keinem Tschechen ein Leid. Die Demolierung der Schule war um sechs Uhr früh. Um neun Uhr, also verkehrstechnisch vollkommen unmöglich, standen in Prag schon auf dem Wenzelsplatz bei einer Großkundgebung die Kinder mit verbundenen Köpfen, welche als Opfer von Eger bezeichnet wurden. Bei dieser Kundgebung wurde so viel gehetzt, dass eine Deutschenverfolgung ausbrach.

Wir machten sehr viel mit und konnten unsere Zusammenkünfte und Besprechungen nur am Moldau-Kai, beziehungsweise im Parlamentszimmer der Nationalpartei abhalten. Dabei nahm Abgeordneter Kalina einen Standpunkt ein, der gänzlich unmöglich war. Insbesondere wurde die Forderung auf Verlegung der Hochschule nach Reichenberg verlangt. Ich war damals über diese Haltung der Nationalpartei empört, da ich sowohl studentenpolitisch, als auch politisch einige Funktionen innehatte. Das ganze politische Treiben ekelte mich an, deshalb ging ich im Sommersemester 1920 und im Wintersemester 1921 an die Technische Hochschule nach Wien.

Wie ich schon vorher gesagt habe, beendete ich im Sommer 1923 mein Studium. Da ich in Österreich nur 13 Monate gedient hatte und die Tschechoslowakei eine 24-monatige Dienstzeit hatte, so war ich verpflichtet, den Rest auf 24 Monate nachzudienen. Ich wurde zur Gebirgsartillerie nach Schimnitz einberufen. Dort wurde ich als Rottenmeister mit einem Gehalt von 900 Kronen eingestellt. Diese Zeit war eine wirkliche Erholung. Ich hatte erstes Geld, weil ich so wie die anderen Feldwebel, mich nicht selbst verpflegen musste, sondern in der Kantine das Essen bekam. Am Samstag fuhr ich immer heim. Der Dienst war nicht anstrengend und ich lernte dabei auch ziemlich viel Tschechisch. Ich machte auch ein Manöver mit, wo ich den Befehl ausführte, einen Zug für die Batterie zu bestellen. In Tuschkau sprach ich mit Beamten Tschechisch. Nachdem wir uns längere Zeit unterhalten hatten, fragte ein tschechischer Beamter, der mit im Lokal anwesend war, warum wir nicht mal Deutsch reden, da wir doch beide Deutsche sind. Es war der Vater unseres Bundesbruders Wölfel.

Da kam der Erlass heraus, nach welchem diejenigen, welche weniger als sechs Monate noch zu dienen hatten, noch vor Weihnachten entlassen werden. Ich konnte rechnen, wie ich wollte, aber bei mir stimmte es nicht. Ich musste, um die richtige Zeit herauszubekommen, den Nachweis führen, dass ich erst am 25. November 1918 aus dem Krieg kam. Der Nachweis gelang nur halb und der Rechnungsleutnant bei Regiment glaubte mir nicht. Erst als ich ihn fragte, wohin das Geld für die Pferdeverleihung von der Batterie gekommen ist, wurde ich sofort mit auf die Entlassungsliste gesetzt und kam noch vor Weihnachten heim.

Zuvor hatte ich noch ein anderes Erlebnis. Es wurde Mitte November beim Befehl gefragt, ob Skifahrer dabei wären. Ich habe mich gemeldet und wurde daraufhin als Instruktor für den Ski-Kurs in Asch, welcher im Januar stattfinden sollte, eingeteilt. Ich wäre in größte Verlegenheit gekommen, wenn ich als Instruktor hätte auftreten müssen.

Als ich dann heimkam, suchte ich nach einer Beschäftigung. Es bestand keinerlei Möglichkeit, so dass ich bei der Stadt Franzensbad um die Bewilligung ansuchen musste, kostenlos arbeiten zu dürfen. Erst nach einem Stadtratsbeschluss konnte ich am Quellenamt anfangen. Die Beschäftigung war unbefriedigend; denn außer Quellen messen und einzelne Vermessungen war nichts zu tun.

Ich traf dann einmal in Eger zufällig den General der Kavallerie Kahler, welcher aus Dürnbach stammte und den ich vom Egerländer Verein kannte. Ihm klagte ich mein Leid, dass ich stellenlos bin. Er fragte mich wohin ich zu gehen wünsche. Mein Verlangen, zu einer Betonbaufirma zu kommen, wurde von ihm damit beantwortet, dass er einen Freund namens Negrelli in Wien hätte, welcher eine Betonbaufirma hat. Auf seine Verwendung hin durfte ich dort kostenlos arbeiten. Ich musste mich allerdings verpflichten, kein Gehalt zu verlangen. So kam ich am 20. April 1924 nach Wien, suchte mir eine Wohnung, für die ich 60 Schilling bezahlen musste und gab Nachhilfestunden, um meinen Lebensunterhalt zu fristen. Beides war geschehen.

Ich erhielt als erstes den Auftrag, die Brücke in Berndorf zu rechnen. Dieses Objekt hatte die Firma als Balkenbrücke erstanden. Ich schlug vor, eine Bogenbrücke auszuführen und fand auch Zustimmung des Chef-Ingenieurs. Ich rechnete die Brücke durch und sie wurde ausgeführt. Die Firma hat dabei viel Geld gespart. Aufgrund dieses Vorschlages fragte mich der Chef-Ingenieur Mitte Mai, was ich für ein Gehalt beanspruche. Ich sagte ihm, ich bin mit 200 Schilling zufrieden, ich will nur leben. Man bot mir damals 200 Schilling und man kann sich denken, wie froh ich damals darüber war. Im kommenden Monat hatte ich dann eine Aufgabe in Eisenerz. Ich musste die Erzklaubanlage berechnen. Als ich diese Aufgabe ausgeführt hatte, hat man mein Gehalt auf 300 Schilling erhöht.

Bei der Firma Negrelli war ich zuerst im statischen Büro und dann wurde ich mit der Bauleitung bei der Zementfabrik in Mannersdorf betraut. Auch in Wien hatte ich kleinere Bauten, ebenso bei der Dr. Ötker-Backpulver-Fabrik in Baden bei Wien. Dann erhielt ich die Aufgabe die Bauleitung beim Umspannwerk in Zeltweg zu übernehmen. Diese Aufgabe führte ich mit Gewinn durch. Ich kam dann zur Baustelle Reowäsche in Fonsdorf, ein Stahlbetonsilo für 170 Waggon Kohle, welche gewaschen werden sollten. Die Silos mussten wasserdicht sein. Ich hatte dort circa 70 Mann. In Zeltweg bei der Alpina-Montagegesellschaft hatte ich weitere 50 Mann beschäftigt. Für diese 50 Mann musste ich die Lohnverrechnungen, die Materialbeschaffung und die statische Berechnung, sowie Eisenbiegepläne erstellen. Ich arbeitete von früh bis spät in die Nacht. Mir gelang ein gutes Ergebnis, obwohl wir schlechte Preise hatten. Ich konnte die Preise so korrigieren, dass zum Schluss ein namhafter Betrag übrigblieb. Aufgrund dieses guten Ergebnisses wurde mir die Filiale Donawitz in Österreich übertragen.

Am 31. Januar 1928 verheiratete ich mich mit Anna, geborene Zimmermann aus Kötschwitz im Egerland. Wir bezogen auch eine Wohnung in Donawitz und am 7. Juli 1929 kam dort mein Sohn Gerhard zur Welt. Er war ein Sonntagskind.

Dort war beim Umsatz von über einer Million nichts verdient. Ich musste umfangreiche Reformen durchführen, zum Teil alte Leute hinausschmeißen, zum Teil neue Leute eingliedern. Nach einem Jahr konnte ich bei einem Umsatz von 1,1 Millionen Schilling 160.000 Schillinge nach Wien abliefern und hatte alle meine Auslagen bezahlt. Mein Verhältnis zur Firma war ausgezeichnet. Ich sann aber danach, wie ich mich selbstständig machen kann. Mein Ziel war es, in Eger selbstständig zu werden. Zu diesem Zwecke hatte ich bereits die Baumeisterprüfung abgelegt und später die Zivil-Ingenieurprüfung. Als dann im Sommer 1932 eine Spannung zwischen dem Verwaltungsrat Paß und Verwaltungsrat Nagel auftrat, wurde ich insgeheim nach Wien bestellt, wo mich zwei Verwaltungsräte in einer Bar fragten, ob ich unter den geänderten Verhältnissen die Filiale Leoben übernehmen würde. Ich verlangte Bedenkzeit und nach der Bedenkzeit erklärte ich, dass ich mich selbstständig machen will. Bereits vor meiner Übersiedlung nach Eger im Herbst1932 hatte ich schon mit Ingenieur Heger und Ingenieur Barth, mit denen ich in Prag gewohnt habe, über die Selbstständigmachung verhandelt. Zunächst wollten wir uns an eine Firma in Eger anhängen, um die Verhältnisse kennenzulernen. Wir dachten dabei an Oberbaurat Schmidt, der eine Straßenbaufirma hatte, die damals zwar gut beschäftigt war, aber finanziell nicht gutstand. Ebenfalls dachten wir an die Firma Leistner. Schmidt lehnte eine Beteiligung ab, während Leistner mich wiederholt anging, einer Beteiligung zuzustimmen. Schließlich einigten wir uns darauf, dass Heger und ich mit je 50 Prozent Beteiligung einen Betrieb gründeten. Heger sollte einstweilen als Assistent in Prag bleiben, bis die Verhältnisse sich so gestaltet hätten, dass zwei Inhaber mitarbeiten konnten. Das war im Jahr 1933 bereits der Fall.

Der Betrieb entwickelte sich von Jahr zu Jahr weiter und während man am Anfang noch lächelte, gelang es doch bis zum Jahr 1938, den Betrieb schon auf 600 bis 700 Beschäftigte zu steigern. Die Verhältnisse waren sehr günstig, weil gute Beziehungen vorhanden waren. Der Betrieb wurde mit 50.000 Kronen Kapital von Herrn Heger und 50.000 Kronen Kapital von mir gegründet. Das Geld stammte zum Teil aus der Abfertigung, welche ich von der Firma Negrelli in Wien herausgehandelt hatte, und zum Teil aus dem Vermögen meiner Frau. Es war harte Arbeit, die ich zu leisten hatte. Aber es sollte sich lohnen.

Wie schon gesagt übersiedelte ich im Herbst 1932 mit meiner Familie nach Eger, und wir wohnten im Hause Brückner am Geiersberg. Im Frühjahr 1934 übergab mein Schwiegervater Georg Zimmermann aus Kötschwitz im Egerland seinen Bauernhof an seinen Sohn Karl Zimmermann. Er selber zog zu uns und blieb ständiges Mitglied der Familie. Als Verwaltungsrat der Egerer Aktienbrauerei hatte er vielseitige Beschäftigung. Im Oktober 1935 übersiedelten wir in die Dr.-Karl-Siegl-Allee Nr. 15 ins Haus Gärtner, das ich mit Herrn Heger als siebten Bauauftrag ausgeführt hatte. Inzwischen hat sich meine Familie durch die Geburt meiner Tochter Inge am 11. August 1935 vergrößert; ebenfalls ein Sonntagskind.

Zuerst hatten wir das Büro in der Wohnung der Frau Heger in der Ringstraße in Eger. Es waren zwei finstere Zimmer und eine Küche. Dann wurde das Büro zu klein und wir mieteten dazu die Wohnung im I. Stock, als das Straßenbauamt auszog. Diese Räume waren noch immer zu klein, sodass wir dann noch weitere Räume im gegenüberliegenden Hause mieteten, als dort die Konditorei Fritsch auszog. Auch diese Räume waren bald zu klein, sodass wir im Jahre 1940 ein eigenes Gebäude auf unserem Platz in der Dillenbergstraße errichteten und das Büro in Eger in Wohnungen umwandelten. Der Aufbau des Betriebes war zum Teil schwer und zum Teil leicht. Die Konkurrenzverhältnisse waren fürchterlich, aber auf Grund der guten Beziehungen, die mein Schwiegervater, ebenso Herr Heger und ich hatten, konnten wir doch genügend Aufträge bekommen. Für die Einrichtung und Investitionen waren andererseits leicht Möglichkeit vorhanden. Wir kauften zum Beispiel eine Mischmaschine um 1.000 Kronen, Elektromotoren kauften wir um 50 Kronen und auch sonst waren Baugeräte billig zu haben.

Die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt waren fürchterlich. Im deutschen Gebiet waren viele Arbeitslose. So nahmen wir einmal einen Maurermeister als Polier auf. Dieser hatte so großen Einfluss auf die Leute, dass ihm diese eine Krone je Stunde abführten und wir brauchten zwei Monate, bis wir auf seine Methode kamen.

Sehr viel geholfen hat mir, dass ich behördlich-autorisierter Zivil-Ingenieur war und viele Aufgaben als Berater hatte. So hatte ich bei der Textilindustrie in Fleißen bei Asch und andere große Sachverständigenaufträge. Diese brachten 30.000 bis 40.000 Kronen im Jahr.

Als dann im Jahre 1938 der große Anschluss kam, waren wir schon einer der größeren Betriebe des Sudetenlandes. Wir nützten die Zeit aus und kauften vor allem Holz. Wir kauften damals 10.000 bis 12.000 Kubikmeter Holz, die uns später sehr zugute kamen. Durch das Reich erhielten wir auch Eisenkontingente bevorzugt und diese machten es uns möglich, Maschinen zu kaufen. Die Egerländer Kasse, das größte Sparkasseninstitut des Deutschen Reiches, stellte uns eine Million Mark Kredit zur Verfügung. Die Zurverfügungstellung erfolgte ohne jede Garantie, vollständig formlos und wir waren somit finanziell in keiner Weise gehindert.

Im September 1939 wurde der Inhaber des Flugzeugwerkes Wrede und Widerholt, Herr Wrede, verhaftet weil er angeblich Staatsgelder verschwendet hatte. Später wurde er auch verurteilt.

Wir wurden vom Arbeitsamt und vom Reichskommissar eingesetzt, die Arbeiten ohne Unterbrechung fortzuführen. Ich habe damals auf eine präzise Übernahme gedrängt. Die Baustelle hatte damals circa 400 Leute beschäftigt, und zwar voll im Gange. Zunächst setzte ich mich mit dem Reichskommissar in Verbindung, um zu erfahren, welche Mittel zur Verfügung standen. Er sagte mir, nur die, die der Gesellschaft Flugzeugwerke Eger Wrede und Widerholt gehören. Daraufhin fuhr ich mit dem Reichskommissar nach Berlin zum Reichsluftfahrt-Ministerium, um dort eine Garantieerklärung zu erhalten, dass die Bauarbeiten gezahlt werden.

Wir kamen bis zum Abteilungsleiter Ude. Dieser erklärte uns, es komme eine Reichsbürgschaft nicht in Frage, nachdem der Luftfahrtminister, Hermann Göring, noch nicht entschieden hat, ob das Bauvorhaben weiterhin geführt wird. Wenn wir das Bauvorhaben weitergeführt hätten und es wäre nicht zur Übernahme gekommen, so wäre das ein Risiko von 500.000 bis 600.000 RM gewesen. Das wäre für die damalige Zeit bei Misslingen der Ruin der Firma gewesen.

Ich lehnte ursprünglich ab und besprach mich dann in der Kaiserhof-Bar mit dem Reichskommissar Herrn von Wirth. Nach vielen Telefonaten mit Dr. Zartner und Ingenieur Heger kam ich auf den Gedanken: Ich fragte den Reichskommissar, ob er berechtigt ist, das Eigentum, die Maschinen und das lagernde Material auf der Baustelle das der Firma Wrede gehört, zu beschlagnahmen. Der Reichskommissar bejahte das. Daraufhin ersuchte ich ihn um die Beschlagnahme und den Verkauf an uns mit einer Zahlungsbedingung auf zwei Jahre. Der Reichskommissar stimmte zu. Daraufhin unterschrieb ich im Einvernehmen mit Ingenieur Heger diesen Vertrag. Wichtig war noch, dass die Übernahme reibungslos erfolgte.

Wir bildeten sieben Gruppen, welche das ganze Baugelände, das ungefähr zwei Quadratkilometer groß war, aufnahmen. Es wurden alles Material und alle Maschinen aufgenommen. Die sieben Gruppen bestanden aus je einem Herrn der Firma Wrede, aus einem Herrn des Reichsministeriums und aus einem Herrn unserer Firma. Die Übernahmen und die Urkunden wurden dreifach geschrieben und beim Notar als Originalurkunden beglaubigt. Durch diese Vorsichtsmaßnahme war es gelungen, ohne jede Differenz die Überleitung durchzuführen. Ich will noch erwähnen, dass einige persönliche Gegenstände, welche mit übernommen wurden, über Wunsch des Herrn Wrede von mir kostenlos Herrn Wrede übergeben wurden. Dann ging es daran, den Betrieb in unseren Betrieb einzugliedern. Ich verhandelte mit den einzelnen Herren der Firma Wrede und übernahm alle Herren, welche mir geeignet erschienen. Die Chef-Sekretärin übernahm ich nach dem bewährten Grundsatz nicht.

Mit Herrn Heger haben wir es dann so eingeteilt, dass er das Büro in der Ringstraße leitete, während ich ständig auf dem Flugzeugwerk tätig war. Es gelang, das Bauwerk weiterzuführen und zu vollenden, ohne Stockung. Auch die Eingliederung war möglich. Es kam uns sehr zugute, dass die Egerländer Kasse uns mit jedem Betrag zur Verfügung stand.

In den nächsten Jahren bekamen wir dann noch Aufträge in Holleischen bei der Munitionsfabrik und auch sonst war eine rege Bautätigkeit zu verzeichnen. Interessant ist, dass wir mit den Aufnahmen für das Autobahnlos in der Nähe von Eger betraut wurden. Wir haben damals in aller Bescheidenheit einen Betrag in Kronen verlangt, dieser wurde uns jedoch in Reichsmark als Entschädigung für die Aufnahme gezahlt.

Während dieser Zeit wurde auch der Lagerplatz in der Dillenbergstraße gekauft. Der Lagerplatz hatte ein Ausmaß von 3,6 Hektar und lag neben dem Flugzeugwerk. Es waren wiederholt Fahrten zum Luftgaukommando nach Nürnberg und zur Regierung nach Karlsbad notwendig, um den Platz durchzudrücken. An und für sich war es gegen die Vorschriften, dass neben dem Flugzeugwerk ein Bau-Lagerplatz errichtet wurde. Es ist mir heute noch unerklärlich, wie wir es trotzdem fertigbrachten, die Bewilligung zu erhalten.

Den Bau des Lagerplatzes, das Büro und die Werkstätte konnten wir mit kriegswirtschaftlichen Notwendigkeiten begründen. Wir haben unterdessen auch Aufträge bei den Eisenwerken in Rothau, das vom Bochumer Verein gekauft wurde, erhalten. Nachdem wir eine Halle gebaut hatten, kam das große Gussrohrschleuderwerk zur Ausführung, mit einer Auftragssumme von circa drei Millionen. Diesen Auftrag führten wir mit der Firma Hegerfeld in Arbeitsgemeinschaft durch. Durch Kontingente war es auch möglich gewesen, einen Bagger und eine ganze Anzahl von Maschinen zu erwerben, sodass wir verhältnismäßig gut ausgerüstet waren.

Durch die Übernahme des Flugzeugwerkes hatten wir auch ein Sägewerk mit übernommen. Das Sägewerk war ohne Genehmigung errichtet worden und erweckte den Einspruch von Sägewerksbesitzern, insbesondere von der Firma Blomann. Obwohl ich der Firma Blomann aufgetragen hatte, alles zu schneiden, was sie kann, hat sie sich trotzdem beschwert. Der Beauftragte Herr Holz sagte mir, er würde gerne die Bewilligung geben, wenn nicht diese Kläffer vorhanden wären. Er zeigte mir einen Brief von Blomann zu dieser Angelegenheit. Wir erhielten dann trotzdem die Bewilligung für die Dauer des Baues des Flugzeugwerkes. Im Jahre 1942 übernahmen wir dann die Herstellung von Fertighäusern. Ein solches Haus kostete 3.700 RM und es wurde pro Tag ein Haus mit 40 russischen Kriegsgefangenen erzeugt. Die Materialkosten waren verhältnismäßig gering; denn das Haus wurde aus Holzgerüst mit mineralisierten Sägespanplatten fertiggestellt. Der Verkauf an Industrie und Private ging verhältnismäßig gut vor sich.

Während dieser Zeit wurde auch der Kragl-Hof in Kötschwitz um 44.000 RM gekauft. Der Kauf war, den Kragl durch meinen Schwager angeboten hatte, sehr schnell zustande gekommen. In diesem Hof wurden Wohnungen untergebracht und die Gebäude als Magazine verwendet.

In dieser Zeit wurde auch das Kieswasch- und Sortierwerk in Kötschwitz ausgebaut. Der Lastwagenverkehr war zur damaligen Zeit noch teuer und es war deshalb notwendig, eine 300 Meter lange Brücke zum Bahnhof in Tirschnitz zu bauen. Diese Brücke konnte mit Rücksicht auf den hohen Holz- und Materialverbrauch aus kriegswirtschaftlichen Gründen nur gebaut werden, wenn Holz zur Verfügung stand. In der Nähe von Aag war eine alte Förderbrücke auf der Autobahnbaustelle, welche der Firma Hubert in Nürnberg gehörte. Das Holz dieser Autobahnschüttbrücke kaufte ich und in meinem Ansuchen um Bewilligung führte ich an, dass das Holz aus der Autobahnbrücke zur Verfügung stehe. Auf Grund dieser Tatsache und der kriegswirtschaftlichen Notwendigkeit der Kieslieferung durch die Bahn erhielt ich die Bewilligung. Ebenfalls musste zur Überquerung der Straße eine Betonbrücke gebaut werden.

Auch der Hof war nicht leicht zu erwerben. Hofkäufe waren nur mit Zustimmung des Bauerngerichtes und der Kreisbauernschaft möglich. Ich lud den Leiter des Arbeitsamtes, den Oberbürgerbürgermeister von Eger und einen Beauftragten von der Wehrkreisverwaltung zur Besichtigung des Hofes ein. Die Scheune war schlecht gedeckt und auch sonst machte der Hof keinen günstigen Eindruck. Ich erläuterte, wie kriegsnotwendig das Kieswerk ist, und dass ein Kiesausbeutungsrecht nur zu erwerben ist, wenn man den Bauern Grund zur Verfügung stellt. Auf Grund dessen erhielt ich die Bewilligung zum Hofkauf. Bei dieser Kommission war auch der Vertreter des Kreisbauernführers anwesend; nachdem der mir befreundete Kreisbauernführer Frank mitgeteilt hatte, dass er persönlich die Bewilligung nicht erteilt hat. Das Kiesvorkommen war sehr reichhaltig. Ich hatte noch von anderen Besitzern, außer den eigenen fünf Hektar, Grundstücke zur Ausbeutung erworben. Ein Hektar kostete 20.000 RM. Ferner hatte ich die Grundstücke vom Kieswerk bis zur Eger in einer Breite von 27 Meter durch Tausch erworben. Ich tauschte vom Hofgrundstück mit dem Verhältnis eins zu zwei.

Ich hatte die Absicht, ein Betonfertigteilwerk zu errichten; und zwar sollte auf Flossen betoniert werden. Der Weitertransport zum Bahnhof war mittels Flossen geplant. Während der Transportzeit wäre die Abbindung der Fertigteile gewährleistet gewesen und sie hätten verladen werden können.

Im Jahre 1942 begann dann die Kriegsverpflichtung für die Organisation Todt. In Rothau war ein Bauleiter namens Simon. Herr Simon war NS-Ordensträger und sehr energisch, aber auch sehr streitbar. Er hatte mit der Partei Auseinandersetzungen. Infolgedessen schob ihn diese nach Frankreich ab.

Nachdem wir für ihn in Rothau gebaut hatten, erhielt ich eines Tages ein Telegramm mit der Frage, ob sofort die Übernahme einer größeren Baustelle in Frankreich möglich ist. Nach langen Überlegungen und Telefongesprächen kam ich zu der Erkenntnis, dass wir nicht in der Lage waren, die große Baustelle zu übernehmen. In dieser Zeit war ich von der Egerländer Kasse aufgefordert worden, die Firma Ingenieur Karl Pascher zu übernehmen. Pascher war mit 300.000 RM überschuldet und an Gerätebestand war nur etwa 150.000 RM Wert vorhanden. Pascher hatte es versäumt, kriegswichtige Bauten zu erhalten; infolgedessen konnte er kein Ergebnis erzielen. Ich habe mit Pascher eine Arbeitsgemeinschaft so vereinbart, dass dieser 30 Prozent und wir 70 Prozent übernahmen, mit der Verpflichtung, dass Ingenieur Pascher den Einsatz selbst leiten würde. Wir fuhren dann nach Frankreich. Die Baustelle befand sich in der Nähe von Tour und es handelte sich um den Bau eines Führerhauptquartiers. Die Bauvorhaben bestanden aus mehreren Betonbunkern, Führerbunkern, Brauchitsch-Bunkern, und Telefonbunkern. Diese Bunker mussten in das Dorf hineingestellt werden, ohne dass die Häuser entfernt wurden. Ferner waren 20 km Straße zu bauen, eine Wasserversorgungsanlage und verschiedene andere Bauwerke. Ferner ein Tunnel für den Führerzug.

Wir fuhren daraufhin mit Bauleitern und Führungspersonal, insgesamt etwa 35 Mann, nach Frankreich. Die Arbeiten wurden von französischen Firmen ausgeführt, welche bei uns als Subunternehmen arbeiteten und wir fungierten als Auftraggeber. Wir erhielten zum Beispiel für einen Kubikmeter Beton an Arbeitslohn mit allen Zuschlägen 2,80 RM. Die Geräte wurden nach dem Mietsatz bezahlt, ebenso wurden die Angestellten mit Auslöse bezahlt. Das Arbeiten war sehr erfolgreich. Wir konnten uns eine ganze Reihe von Maschinen kaufen und noch Geld erübrigen. Wir machten auf der Schicht durchschnittlich 24 Stunden lang mit 40 Mann 1.000 Kubikmeter Beton. Wir hatten auf der Baustelle 13 Mischer, der kleinste mit 1.000 Liter, davon waren zehn Mischer in Tätigkeit und drei Mischer als Reserve. Mit zwei Pumpen haben wir den Beton hineingepumpt in die Silos und die entsprechenden Kompressoren lösten sofort die Verstopfung. Auf diese Weise war ein gutes Arbeiten möglich, auch wenn die Momentausbrüche Simons manchmal Schwierigkeiten bereiteten.

Nach Fertigstellung dieses Objektes, das dann nie bezogen wurde, erhielten wir den Auftrag, Munitionsbunker zu bauen. Bei dieser Gelegenheit hat Herr Pascher als Bauleiter zu einem 1.500-Liter-Mischer einen 150-Liter-Aufzug hingestellt. Daraufhin ließ ihn der Bauleiter sofort verhaften wegen Sabotage. Es gelang mir, nachdem ich telegraphisch verständigt war und sofort anreiste, Herrn Pascher herauszubekommen. Allerdings war dann sein Einsatz erledigt und ich habe die ganze Sorge um den Einsatz allein gehabt.

Nach diesem Munitionsbunker erhielten wir den Auftrag, eine U2-Abschusshöhle zu bauen. Die Höhle wurde in einem Untertage-Steinbruch gebaut. Der Steinbruch, aus welchem die Steine für den Dom in Chartres entnommen waren, wurde so betrieben, dass nur der gute Stein herausgenommen wurde. Es waren Gänge in der Breite von 10 bis 15 Meter und in der Höhe von 20 Meter ausgebrochen. Wir mussten nun die Höhlen so ausbrechen, dass überall eine Breite von zehn Meter vorhanden war. Wir hatten auf der Baustelle 500 Presslufthämmer. Die Schwierigkeiten bestanden darin, dass die Luft in den Höhlen sehr feucht war und die Presslufthämmer verrosteten. Erst als wir die Hämmer in der Nacht in Petroleumwannen legten, konnten wir arbeiten. Wir haben eine ganze Reihe von Kompressoren angeschafft.

Während dieser Arbeiten erhielten wir plötzlich den Auftrag, mit 1.500 Mann, das war unsere Belegschaft, die Straßenverbreiterung in Burgund durchzuführen. Es sollten Kleinschiffe vom Mittelmeer auf den Atlantik transportiert werden. Wir mussten daher alle engen Stellen an den Straßen verbreitern. Es war eine schwere organisatorische Aufgabe, die 1.500 Mann ständig zu transportieren und zu verpflegen. Dies wurde so gelöst, dass Schlösser beschlagnahmt wurden und auf diesen die 1.500 Mann untergebracht waren; am nächsten Tag fuhren sie weiter.

Der Einsatztrupp wurde nach der Landung der Amerikaner im Jahre 1944 zur Wiederinstandsetzung von Bahnhöfen verwendet und kam dann bis nach Straßburg. In Straßburg wurde der Trupp aufgelöst und die Herren kamen noch vor dem Zusammenbruch nach Eger.

Im Jahre 1942 wurde ebenfalls ein Einsatztrupp mit etwa 70 Mann nach Russland ausgerüstet. Dieser Trupp musste entsandt werden, weil sonst alle Baustellen eingestellt worden wären. Der Trupp arbeitete in Russland bei Wassertürmen, bei Gleisumnagelung und Wiederinstandsetzung bis zum Jahre 1944. Dann wurde er nach Italien übersetzt. Ebenso hatten wir einen Einsatz in Estland, wo wir Bahnhofsarbeiten ausführten.

In den Jahren 1942 und 1943 hatten wir eine Belegschaftsstärke von ungefähr 4.700 Mann und 120 Angestellte. Der Arbeiterstand gliederte sich wie folgt: 1.000 Mann in der Heimat auf den Baustellen des Flugzeugwerk Eger, auf den Baustellen der Reichsbahn in Rothau und in Holleischen. Weitere 1.500 Mann waren in Frankreich und ebenso 1.500 Mann in Italien tätig. Ein Rest war in Estland. Ein Trupp von circa 50 Mann wurde für den Ostbahnhof in Wien dienstverpflichtet. Bei dem Trupp in Estland war Herr Winter beschäftigt. Es gelang ihm, die ganzen Geräte zurückzuführen bis nach Nordhausen. In Nordhausen sollten wir zu einem neuen Einsatz kommen. Um die Geräte nach Eger zu lotsen, gelang es mir dann noch, den Auftrag des zerstörten Viadukts zu erhalten. So wurden Anfang April 1945 noch 17 Waggons Geräte nach Eger geschafft, welche dort verloren gingen.

Das Arbeiten im Krieg war natürlich voll von Hindernissen. So wurden immer wieder die jüngsten und besten Kräfte zur Wehrmacht einberufen. Im Jahre 1943 wurde die Unabkömmlichkeitsstellung der Jahrgänge 1910 und 1912 aufgehoben. Wir verloren mit einem Schlag durch Einberufung etwa 40 Poliere und Aufsichtspersonen. Um diese zu ergänzen, haben wir den Betriebsrat und alle Bauleiter aufgefordert, uns Leute zu nennen, welche geeignet sind für Poliere und Aufsichtspersonal. Wir haben dann circa 60 Leute erhalten. Von diesen 60 haben wir 50 zu guten und umsichtigen Vorarbeitern ausgebildet. Es ist eigentlich aus der Einberufung dieser jungen Leute kein Nachteil entstanden. Erwähnenswert ist noch, dass ich dann zum stellvertretenden Gebietsbeauftragten für die Durchführung von Bauten im Jahre 1943 ernannt wurde.

Dieser Gebietsbeauftragte hatte die Aufgabe, neue Bauvorhaben einzuleiten. Sämtliches Baugeschehen unterstand der Organisation Todt. Ein Vertreter der Organisation Todt war als Oberbauleiter in Reichenberg beziehungsweise Karlsbad. Ich hatte eine Liste von Baustellen, welche die einzelnen Dringlichkeitsstufen der Baustellen beinhalteten. Es gab Dringlichkeitsstufen von Sonderstufe eins, zwei, drei und vier. Im selben Moment, in dem der Bedarf an Leuten einer Baustelle die Dinglichkeitsstufe drei hatte, wurde die Baustelle vier stillgelegt, und wenn die Baustelle zwei nicht besetzt war, wurden drei und vier stillgelegt.

Wenn zum Beispiel der Auftrag kam, irgendein dringendes Bauvorhaben zu beginnen, wie etwa Messerschmidt in Brunnersdorf bei Kaden, so bestimmte ich die federführende Firma und dieser federführenden Firma gab ich bekannt, welche Baustellen stillgelegt werden. Die Firmen, welche an dieser Baustelle bauten, wurden dann zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen und in Kürze begann das Bauvorhaben vollbesetzt. Die Leute wurden alle dienstverpflichtet. Das erforderliche Baracken- und Unterkunftsmaterial wurde beschlagnahmt und der Bau begann meistens zu den vorgesehenen Terminen.

Ich hatte das Sudetengebiet bis zur linken und rechten Seite des Elbufers. Für die Luftwaffenbauten war ich im ganzen Sudetengebiet zuständig. Der Gebietsbeauftragte war damals Sacher, welcher derzeit in Wolfratshausen einen Betrieb hatte. Sacher betraute unseren Sekretär mit der Durchführung der Aufgaben des Architekten Noppes, welcher in Icking bei München derzeit als freischaffender Architekt arbeitet.

Organisatorisch war es ein sehr schwer zusammenhaltendes Gebilde, weil die Verkehrsverbindungen äußerst schwierig waren. Ebenso schwierig war die Verständigung. Ich hatte zwar Sprecherlaubnis mit allen Fronten, aber in den meisten Fällen gelang die Verständigung nicht, oder ständige Unterbrechungen hinderten das Sprechen. Ich hatte dann über die Berliner Wohnung des Herrn Simon die Möglichkeit, der unser Gebietsbeauftragter in Frankreich war, über den Einsatz zu sprechen. Die Einsätze wurden mit dem Heimatbetrieb durch Kuriere, die wöchentlich hin- und herfuhren, zusammengehalten. Auch ich musste wiederholt Reisen unternehmen, so war ich zweimal in Estland und sehr oft in Frankreich.

Im Jahre 1943 wurde auch eine Baustelle auf der Reichsbahn eingestellt und die Leute dienstverpflichtet auf den Ostbahnhof nach Wien. Dort arbeiteten wir für kriegswichtige Aufgaben. Mein Kompagnon, Ingenieur Franz Heger, war im Jahre 1942 zur Wehrmacht eingezogen worden. Er wurde nach kurzer Zeit als Marine-Ingenieur übernommen. Leider stürzte er im Jahre 1944 auf dem Flug in den Urlaub am Eisernen Tor ab und verunglückte tödlich.

Das kriegswirtschaftliche Bauen war voll von Organisationsproblemen und voll von Hindernissen. In ungeheurer Arbeitsleistung mussten die in der Heimat verbliebenen die Aufgaben bewältigen. Bei den Reisen war man häufig Fliegerangriffen ausgesetzt. Ich machte einen schweren Angriff auf Mannheim mit. Auch unser Zug auf der Fahrt von Saarbrücken nach Paris wurde beschossen. Zwei Tote wurden aus dem Waggon entfernt. Ich reiste in einem Jahr 40.000 Kilometer mit der Eisenbahn.

Die Organisation Todt, welche Bauträger war, war, solange Ingenieur Todt gelebt hatte, hervorragend. Sie wurde aber mit der Dauer des Krieges immer schlechter. Im Februar 1945 wurden die Betriebsführer der größeren Betreibe nach Kulmbach auf die Plassenburg zu einer Unterrichtung berufen, bei welcher schon bekannt war, dass der Russe vordrang und es waren schon Auflösungserscheinungen zu beobachten.

Am 1. April 1945 erlebte unser Lagerplatz den schwersten Angriff. Der Angriff galt dem Flugzeugwerk, welches buchstäblich total zerstört wurde. Unser Lagerplatz erhielt 25 Bomben, von denen jedoch acht Blindgänger waren. Das Büro wurde beschädigt, konnte aber noch benützt werden. Die Sägehalle und eine Baracke wurden total vernichtet; die Wasserleitung zerstört, ebenso die Zufahrtstraßen. Trotzdem konnten wir den Betrieb noch eine Zeitlang aufrechterhalten. Als dann die Angriffe immer stärker wurden, mussten wir das Büro in das Egertal verlegen. An eine regelrechte Arbeit im April war kaum zu denken. Wir erhielten noch telegraphisch den Auftrag, den Viadukt, der über das Egertal in Richtung Franzensbad-Plauen führte, der von Bomben zerstört war, wieder instand zu setzen. Diese Aufgabe wurde noch durchgeführt und gab Anlass, 17 Waggons Geräte, welche von Estland kamen und für eine Baustelle in Nordhausen bereitgestellt waren, nach Eger zu transportieren. Diese kamen auch an und wurden dann von den Tschechen beschlagnahmt.

Am 1. April 1945 erhielt ich von Gerhard, der im Wehrertüchtigungslager in Konstanz am Bodensee war, einen Brief, dass er sehr schwer krank ist. Ich versuchte telefonisch mit ihm beziehungsweise mit dem Wehrertüchtigungslager Verbindung zu erhalten. Nachdem dies nicht gelang, versuchte ich, in der Nacht über die Reichsbahn zu telefonieren. Ich erreichte zwar das Wehrertüchtigungslager, aber dann brach die Verbindung ab. Daraufhin setzte ich mich mit der Organisation Todt in Verbindung und ließ mir eine Fahrterlaubnis nach Süddeutschland geben. Dann fuhr ich mit Silbermann um 16 Uhr am Nachmittag von Eger weg und war die andere Nacht in Friedrichshafen am Bodensee. Wir mussten die ganze Zeit ohne Licht fahren, da bei Licht sofort Jagdbeschuss durch Jagdbomber erfolgte. Einmal wurden wir in der Nähe von Ingolstadt beschossen.

Ich traf Gerhard an. Er war blass und lag im Krankenlager. Er hatte Rippenfell- und Lungenentzündung. Am Anfang stand er mir wortlos gegenüber und ich hatte den Eindruck, dass ihn etwas bedrückt. Und auf einmal kam es heraus: „Was ist mit Mutti?“ Er hatte die Nacht vorher im Rundfunk gehört, dass auf Eger ein schwerer Angriff mit vielen Toten erfolgt war. Gott sei Dank konnte ich ihn beruhigen und nach schwierigen Verhandlungen gelang es mir, ihn freizubekommen.

Wir gingen zu Fuß bis Konstanz, und von Konstanz fuhren wir nach Mersburg und von Mersburg mit dem Wagen nach Tettwang, wo ein Schwager von Herrn Prosch ein Bauerngut hatte. Dort erhielten wir ausreichend Essen und auch Proviant für die Fahrt. Wir fuhren dann gegen vier Uhr wieder zurück und kamen, als es schon finster war, nach Ulm. In jeder zweiten Gasse stießen wir auf Bombentrichter und mussten immer wieder umkehren. So arbeiteten wir uns zwei Stunden vor bis zur Autobahn. Auf der Autobahn standen SS-Leute, welche erklärten, dass in der Nacht die Autobahnbrücken gesprengt werden und wir mussten wieder zurück. Es war ein mühseliges Fahren, denn wir durften kein Licht machen. Wir fuhren über Donauwörth nach Regensburg. In Regensburg haben wir einen Luftangriff miterlebt. Auf der Weiterfahrt kamen wir bis Nabburg. Dort ging uns das Holz aus. Ein Baumeister half uns aus; diesen haben wir später bei uns eingesetzt. Wir kamen dann bis Mitterteich. In Mitterteich waren Benzin und Holz aus. Ich ging zu einem bekannten Frächter, der für uns in Eger fuhr, und ließ uns abschleppen. Gegen 16 Uhr waren wir in Eger. Es war allseits eine große Freude.

Als die Front immer näherkam, übersiedelten wir nach Kötschwitz, dort erlebten wir auch den Einmarsch der Amerikaner. Die Frontlinie verlief hinter Eger bis Reichersdorf. Dabei wurde auch Kötschwitz besetzt. Das erste, was sie sagten war, dass sie in Gerhard einen SS-Mann vermuteten.

Ich fuhr dann am anderen Tag mit dem Rad nach Eger und wurde in Reichersdorf beschossen. Hier war ein ungeheurer Verkehr von amerikanischen Fahrzeugen. Die Brücken waren gesprengt, doch gelang es mir, bis in die Wohnung vorzudringen. Diese war bereits ebenfalls von Amerikanern besetzt. Ich fuhr dann auch auf den Lagerplatz. Dieser war von den Bauern von Pongrath geplündert worden; vor allem hatten sie es auf Dachpappe und Nägel, die reichlich vorhanden waren, abgesehen.

Ich war, als ich auf dem Lagerplatz ankam, sofort von fremdländischen Arbeitern umlagert. Wir hatten in dem Lager etwa 400 Ausländer. Hier musste ich erleben, dass die Franzosen für mich eintraten. Es war mir nicht in Erinnerung, dass ich dafür gesorgt hatte, dass ein Franzose, der im Jahr 1942 verunglückt war, in einem Sarg bestattet wurde. Aber die Franzosen hatten es nicht vergessen, infolgedessen nahmen sie mich in Schutz.

Kurze Zeit nach dem Einmarsch der Amerikaner kamen die Tschechen. Was sich da abspielte, ist unbeschreiblich.

Wir hatten in der Kaspar-Bruschius-Straße bei Notar Fischer eine Wohnung bekommen und diese auch eingerichtet. Nach kurzer Zeit erschienen Tschechen und wir mussten die Wohnung räumen. Wir wurden dann bei Oberinspektor Adler in ein Zimmer einquartiert. Kochen mussten wir mit Familie Adler zusammen. In der damaligen Zeit hat man diese Schwierigkeiten nicht besonders drückend empfunden; es war eigentlich so, dass einer dem anderen beistand.

Der Betrieb musste sofort bei Aufräumungsarbeiten am Bahnhof, der total zerstört war, eingesetzt werden. Als dann die Tschechen nach Eger kamen, mussten auch alle Frauen mitarbeiten. Am 13. Juni 1945 kam dann der tschechische Kommissar, welcher den Betrieb übernahm. Es war ein Pilsner Architekt namens Doubek, der sich verhältnismäßig anständig benahm. Dieser wurde dann nach etwa einem Monat durch den Diplom-Ingenieur Swobota aus Prag abgelöst. Beide Kommissare machten mir eigentlich nichts. Ich konnte meinen Platz noch einnehmen, obzwar der Kommissar den Auftrag hatte, dass ich nicht ohne tschechischen Chauffeuer fahren durfte und ich eigentlich nicht mehr handlungsfähig war. Er respektierte mich zwar, aber Herr war der Kommissar.

Wir wurden dann aus der Wohnung Adler wieder evakuiert und erhielten ein Zimmer in der Nähe des Bahnhofes. Ich habe mich darüber beim Kommissar beschwert, nachdem ich eine Arbeitsbescheinigung hatte. Der Kommissar entschuldigte sich und teilte mir mit, dass er machtlos sei.

Ich arbeitete jeden Tag im Betrieb. Es war eine fürchterliche Zeit. Die Tschechen haben mich im Betrieb belassen, weil sie mich brauchten. Als sie einigermaßen orientiert waren, hatte ich das Gefühl, nun wird die Einweisung oder Verhaftung kommen. Ich zog es daher vor, mit meiner Familie über die Grenze zu gehen. Wir packten unsere wenigen Habseligkeiten in Säcke. Diese wurden mit dem Auto nach Gosel transportiert, wo ich eine Baustelle übernommen hatte. Mein Schwiegervater fuhr meine Frau und meine zwei Kinder bis Gosel, ich fuhr mit dem Wagen bis Gosel. Wir hielten uns bei Herrn Köstler auf. Herr Köstler transportierte die Säcke auf ein Kartoffelfeld, es war am 28. September. zur Zeit der Kartoffelernte in der Nacht. Gerhard und ich brachten dann die Säcke über die Grenze. Meine Frau und Inge gingen zu Fuß voraus und gegen vier Uhr früh waren wir wohlbehalten bei Müller in Hardeck angelangt. Dort ging es dann nach kurzer Rast nach Waldsassen weiter, wo ich acht Tage zuvor von Baumeister Born eine Quartierszusage erhalten hatte. Frau und Herr Born haben uns damals sehr viel Gutes getan. Wir waren nahezu drei Wochen dort.

Ich habe mich dann um eine Wohnung bei Herrn Baumeister Roppert bemüht, der sie mir auch zusagte. Ich musste alle Wege zu Fuß machen, da das Fahrrad, welches ich Herrn Jüstel gegeben hatte, gestohlen wurde. Zuvor war ich schon einmal über die Grenze gegangen. Ich ging über Pechtnersreuth und kam bis nach Waldsassen. Von hier ging ich über den Grünberg wieder nach Eger. Es ging ohne Aufsehen und ohne Zwischenfälle. Meine Frau war sechzehn Mal zu Fuß über die Grenze gegangen und schaffte verschiedene dringend notwendige Gegenständer heraus. Sie wurde einmal angehalten, ohne dass es Folgen hatte.

Ich versuchte damals, nachdem ich von Baumeister Roppert die Wohnungszusage bekommen hatte, nach Oberbruck zu kommen. Dabei ersuchte ich Herrn Bergauer und Herrn Kassecker aus Waldsassen, meine Habseligkeiten, die ich noch hatte, nach Oberbruck zu transportieren, da diese zur damaligen Zeit eine Baustelle in Erbendorf hatten. Jedoch lehnten es beide ab. Es zeigte sich schon damals, dass der Eigennutz viel stärker war, als die Verpflichtung zu helfen.

In Oberbruck hatten wir zunächst Mühe, Betten zu bekommen. Ich bekam sie dann vom Arbeitsdienstlager Guttenthau. Nun war es wieder schwer, ein Fuhrwerk zu bekommen; doch es ging dann. Weiters waren Strohsäcke zu beschaffen. Es dauerte lange, bis wir das erforderliche Stroh hatten. Mancher Bauer bereut heute noch, dass er uns kein Stroh gegeben hat. Wir mussten dann drandenken, nachdem der Winter vor der Tür stand, Heizmaterial zu besorgen. Vom Forstamt Ahornberg erhielten wir eine Zuweisung auf zehn Ster Holz. Die ganze Familie und ein Hilfsarbeiter machten diese zehn Ster ab, sägten sie auf Meterstücke und sie wurden dann durch den Frächter abgefahren. Wir haben zwei Tage beim Holzmachen zugebracht und mussten ungefähr zehn bis zwölf Kilometer zu Fuß hin und her gehen. Den ganzen Tag arbeiteten wir und waren reichlich müde. Dann hatten wir Holz und Unterkunft und ich musste sehen, wie ich wieder zu einem Beruf kam.

Ich ging zur Militärregierung, dort saß ein, wie sich später herausstellte, Krimineller. Als ich ihm sagte, dass ich SA-Oberscharführer sei und wieder anfangen wolle, da sagte er: „Nie werden wir zustimmen.“ Der Mann hieß Altenbach.

Mit Bürgermeister Högl, der Vorsitzender des Entnazifizierungsausschusses der Wirtschaft war, gelang meine provisorische Entnazifizierung und nach Reisen nach Regensburg und München erhielt ich die Genehmigung zur Ausübung des Gewerbes.

Die Reisen nach München und Regensburg waren sehr beschwerlich. Ich musste im Luftschutzkeller auf Bänken übernachten. Die Keller waren ziemlich voll und es herrschte eine fürchterliche Atmosphäre. Trotzdem schlief ich auf den Holzbänken ein, da ich sehr, sehr müde war. Aufgrund der Tatsache, dass ich im Sudetenland im Verband der Bauindustrie hervor-getreten war, war ich bekannt und es gelang verhältnismäßig schnell, die Bewilligung zur Ausführung des Baugewerbes zu erhalten.

Als ersten Auftrag bekamen wir den Abtrag einer Baracke. Meine Frau hatte mühselig etwas Werkzeug im Rucksack herausgeschleppt; tagsüber wurde das Werkzeug gestohlen. Ich ging dann zur Bundesbahn nach Marktredwitz und gab meine Absicht bekannt, dass ich wieder beginnen wolle. „Haben Sie Leute, haben Sie Werkzeug?“ war die erste Frage. Ich sagte ja, aber kein Werkzeug. „Das macht nichts, da stellen wir Ihnen einen Bauzug zur Verfügung.“ Ich sagte weiter, dass ich auch für die Leute keine Unterkunft habe; man sagte mir, dass dafür Schlafwagen im Bauzug zur Verfügung stehen. Darauf erhielt ich den Auftrag, den Bahnhof in Kirchenlaibach umzubauen. Ich hatte kein Geld, nur 12.000 RM auf der Bank, die mussten für den Notfall aufgehoben werden.

Ich fuhr dann mit dem Fahrrad nach Hof, übernachtete in einem fürchterlichen Lager und fuhr zum Bankhaus Schmidt. Ich trug Herrn Schmidt meine Wünsche vor und mir wurde erklärt, dass ich bei der Filiale Marktredwitz über 50.000 bis 60.000 RM verfügen kann.

Unterdessen hatten wir die Arbeiten in Kirchenlaibach begonnen und ich habe gesehen, wie die Bauern die Schienen durch die Gleise zum Flugplatz herausrissen und mit heimnahmen. Ich ging zum Landrat und berichtete ihm von diesem Vorfall. Der Landrat sagte: „Was will ich machen? Ich habe keine Gendarmerie.“ Ich bot ihm an, die Schienen und Weichen abzutragen, wenn er mir die Hälfte zum Marktpreis überließ. Das waren etwa 300 Meter Schienen und drei Weichen.

Dann ging ich zu den Porzellanfabriken, die Weichen brauchten, und verlangte pro Weiche ein Auto Porzellan. Finanziell wurde es ausgeglichen zum normalen Preis. Mit dem Auto Porzellan fuhr mich Herr Gmeinder, der in Berneck ein Autounternehmen hatte, ins Ruhrgebiet. Der Vater von Herrn Jüstel tauschte Porzellan gegen Werkzeug.

Nun hatten wir Werkzeug, Geld und Leute und es ging eigentlich ein ganz regelrechter Betrieb. Auch andere kleine Aufträge kamen herein, sodass ich besorgt sein musste, die Wohn- und Büroverhältnisse zu verbessern.

Ich erhielt dann eine Arbeitsdienstlager-Baracke aus Guttenthau für das Büro. Unterdessen hatte ich auch einen Platz neben dem Bahnhof von der Reichsbahn gepachtet, dort stellte ich die Baracke auf. Eine zweite Baracke erhielt ich vom Landratsamt. Durch das Entgegenkommen der beiden Herren Traßl konnte ich die Baracke in Zweifelau im Jahre 1946 aufstellen und sie erhielt die Hausnummer Sieben. Ich teilte diese Baracke zur Hälfte mit Herrn Justel. Hier hatte ich die Wahl zwischen zwei Baracken, einer neuen und einer alten. Der heutige Oberamtmann beim Landratsamt Kemnath, Herr Stich, erklärte damals: „Ein Nazi braucht keine neue Baracke.“ So nahm ich die alte, legte sie in eine Grube und vergaste sie, so dass wir keinerlei Ungeziefer in der Baracke hatten. Diese Wohnung wurde gar bald unser gemütliches Heim. Bekannte stellten sich oft zu Besuch ein und manch schöne und frohe Stunden und Tage begingen wir in festlicher Stimmung. Auch konnten wir da meinen 50. und Schwiegervaters 80. Geburtstag feiern.

Unterdessen haben sich im Betrieb die Herren Kraus und Prosch gemeldet. Da ich in der Kanzlei keine Arbeit hatte, so arbeiteten sie als Hilfsarbeiter, bis es eine Einstellungsmöglichkeit gab.

Um unabhängig zu werden, richteten wir eine Steinerzeugung in Arzberg ein, in der Hoffnung, die Steine gegen anderes Material einzutauschen. Herr Kraus ermittelte dann, wie man zu Zement in Amberg kam. Er machte es sehr geschickt und mit viel Erfolg. Ferner pachtete ich eine Schreinerei, um auch hier unabhängig zu werden.

Durch die Aufträge bei der Bahn und verschiedene andere Aufträge ging der Betrieb verhältnismäßig gut und bis zur Währungsreform 1948 hatte ich schon ein ganz schönes Kapital. Sehr schlimm traf mich damals die Verpflichtung, für den Bergbau eine Anleihe zu zeichnen. Wir hatten damals noch keine DM und mussten 12.000 DM zeichnen.

Der Betrieb hat sich unterdessen so gut entwickelt, dass ich schon einer bayerischen Arbeitsgemeinschaft beitreten konnte, welcher ebenfalls die Firmen Heilmann und Littmann, Wahler und Riepl angehörten, sodass wir für die Erbauung des Außenministeriums in Bonn herangezogen werden konnten.

Unterdessen stellte sich heraus, dass es in der Oberpfalz für einen Betrieb zu wenig Beschäftigung gab. Wir suchten deshalb Baustellen im Rheinland und in München, und hatten die Absicht dorthin zu gehen, wo das Geschäft am besten geht.

In Mönchen-Gladbach hatten wir einen Auftrag im Hauptquartier erhalten. Wir bauten Baracken, eine Schule und eine Offiziersmesse in Goch am Niederrhein. Sicher setzten wir drei bis vier Millionen um und hatten auch einen Verdienst.

In München ging es langsam, aber es ging vorwärts. Unterdessen waren die Gesetze für die Notstandsgebiete erlassen worden und wir kamen in Immenreuth in Schwung. Es war eine fürchterliche Arbeit, alle drei Niederlassungen aufrecht zu erhalten, und es war vor allem die Kapitaldecke zu gering. Als ich den Auftrag des Außenministeriums in Bonn und Mönchen-Gladbach erhielt, suchte ich bei der Bank der Vertriebenen in Bad Godesberg um einen Kredit von 100.000 DM an. Dieser wurde mir zugesagt. Als dann der Auftrag kam, legte ich die Bilanz vor. Darauf gab man mir ein Kilo Papier zum Ausfüllen. Ich fragte schüchtern, bis wann der Kredit zu erwarten wäre. Die Antwort war: „In sechs Monaten.“ Darauf suchte ich bei der Schmidtbank an; diese lehnte den Kredit ab. Die Kreissparkasse Kemnath gab sofort 100.000 DM.

Am 17. April 1951 verstarb mein Schwiegervater. Er erlebte noch den Plan unseres neu zu errichtenden Hauses; selbst war er gegen den Bau, war er doch der Meinung, dass wir Ausgewiesenen wieder in die Heimat zurückkämen.

Im Jahre 1952, acht Tage vor Pfingsten, hielten wir Einzug und ersten Kaffeetisch im neuen Haus, das die mitbekommene Hausnummer der Baracke Nummer Sieben bekam.

Am 31. Januar 1953 hatte ich Silberhochzeit. Es war das erste Fest im neuerbauten Haus.

Am 27. August 1955 vermählte sich mein Sohn Gerhard mit Jutta, geborene Kartscher. Meine Frau richtete die Hochzeit in unserem Hause wunderbar aus. Es gab eine Heidenarbeit an Vorbereitungen, Verköstigung und Unterbringung der zahlreichen Gäste zu bewältigen; trotzdem klappte alles und es war ein schönes und gelungenes Fest. Mein Enkel Rainer wurde am 14. November 1956 in Mönchen-Gladbach geboren, wo Gerhard die Nieder-lassung in Wickrath leitete.

So ging es einige Jahre, bis ich im Jahre 1956 einen Herzinfarkt bekam. Gerhard war unterdessen nach kurzer Tätigkeit bei der Firma Heitkamp in Wanne-Eickel in die Firma in Mönchen-Gladbach-Wickrath eingetreten und leitete sie sehr erfolgreich. Insbesondere gelang es ihm mit Hilfe von Heitkamp, einen Oberbau in Herne in Westfahlen zu erhalten, der sehr lukrativ war und uns aus der Klemme half. Wir ließen dann die Niederlassung in Mönchen-Gladbach-Wickrath auf und betrieben nur noch Immenreuth und München.

Gezeichnet: Diplom-Ingenieur Wilhelm Markgraf